Exercise Snacks: Nicht was du denkst
Wir enttäuschen dich wirklich nur ungern. Doch können wir in diesem Artikel leider nicht die Art von unantastbaren Fakten vorlegen, um endgültig zu beweisen, dass Cookies in Wirklichkeit die gesündeste Art von Lebensmitteln sind. Das enttäuscht uns auch, wir werden aber weiter kämpfen, die Hoffnung stirb ja bekanntlich zuletzt. Da das allerdings ein ziemlich herausforderndes Unterfangen ist, bitten wir euch nicht zu ungeduldig auf unseren Sieg zu warten. Bevor wir aber alle die Nerven wegschmeißen: Es gibt trotzdem gute Neuigkeiten. Doch alles vom Anfang. Beginnen wir mit dem 11. März 2020.
30 Tage nachdem COVID-19 von der WHO zur weltweiten Pandemie erklärt wurde (11. März 2020), ist die mittlere Schrittanzahl der Menschen aus 187 Ländern um 27,3% gesunken. Das zeigt eine Studie von Geoffrey H. Tison et al, publiziert vom American College of Physicians [1]. Natürlich ist klar, dass die Schrittanzahl alleine nicht reicht, um den gesamtheitlichen körperlichen Gesundheitszustand der Bevölkerung verschiedener Länder akkurat einzuschätzen aber dennoch zeigt sie einen gewissen Trend, hin zu weniger körperlicher Aktivität bedingt durch COVID-19 Maßnahmen .
Auch vor COVID-19 berichtete die Harvard University [2], dass die meisten Menschen in entwickelteren Ländern durchschnittlich 7 Stunden pro Tag sitzend verbrachten. Inwiefern sich die Corona-Pandemie auf diese bereits alarmierende Zahl ausgewirkt hat, können wir zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
Im Allgemeinen gilt, wie auch Dr. Hicham Skala meint:
"The more you sit, the more your large muscles are not using glucose, the body's main energy source. Uninterrupted sitting can cause blood sugar levels to rise, triggering the release of insulin, the hormone that regulates blood sugar […]“
Dr. Hicham Skali
Der Körper reagiert dadurch weniger empfindlich auf Insulin. In weiterer Folge, führt diese Resistenz gegenüber Insulin laut Dr. Skali dazu, dass die richtigen Bedingungen für Entzündungen geschaffen werden und sich dadurch - als eine der Folgen - wiederum in den Arterien mehr Fett ansammeln kann [2].
Erste Hinweise aus Studien an Ratten legen außerdem nahe, dass viel Sitzen die Aktivität von Dutzenden von Genen verändern kann, einschließlich des Gens, das für die Herstellung von Lipoproteinlipase (LPL) verantwortlich ist. Dieses Enzym hilft beim Auf- und Abbau von Fett, sodass es zur Gewinnung oder zur Speicherung von Energie im Körper verwendet werden kann. Wenn Ratten daran gehindert wurden, sich zu bewegen, sanken die LPL-Spiegel, eine Änderung, die auch zur Erhöhung des Risikos für Herzerkrankungen beitragen kann, erklärte Dr. Skali [2].
Die beschriebenen Effekte durch mangelhafte Bewegung, verstärkt durch die aktuelle Situation durch COVID-19 und dem Sitzverhalten der meisten Menschen, bringen uns zum eigentlichen Kern für diesen Artikel. Zu den sogenannten „Exercise-Snacks“.
In Zeiten wie diesen ist es mehr als verständlich, dass es manche Menschen nicht ganz so einfach haben, jeden Tag Bewegung zu betreiben. Auch unabhängig von der jetzigen Situation ist es unter Umständen schwierig jeden Tag 40-minütige Spaziergänge oder 60-minütige Workouts einzuplanen…und zugegeben: Von Zeit zu Zeit hat jeder und jede von uns mit kleinen Faulheitsanfällen zu kämpfen.
Umso interessanter wäre es daher, wenn man kurze, einfache, überall durchführbare Übungen in den Alltag integrieren könnte, die ähnliche Vorteile erzielen als würde man 60 Minuten am Stück Sport macht. Genau das sind die "Exercise Snacks" und leider nicht die Cookies in dem herrlichen Bild von oben. So gesehen ist es ganz schön gemein von uns, die Cookies so schamlos als Lockmittel zu missbrauchen. Bitte entschuldigt.
„Exercise Snacks“ sind Übungen, die teilweise nicht länger dauern als eine Minute und dennoch Vorteile für das Herz-Kreislauf-System bringen und die Balance bzw. die Stärkung der Körpermitte fördern.
Eine große Studie - publiziert im British Journal of Sports Medicine geleitet von Ulf Ekelund et al [3] - mit mehr als 44.000 erwachsenen Männern und Frauen aus vier verschiedenen Ländern zeigte ein geringeres Risiko für einen frühen Tod, indem nur 30 bis 40 Minuten Bewegung pro Tag durchgeführt wurden. Aber noch viel interessanter ist, dass ein merkbarer Vorteil mit nur 11 Minuten körperliche Aktivität für diejenigen erzielt wurde, die ansonsten wenig Bewegung betreiben.
Diese Studie war auch aus einem anderen Grund von Bedeutung - zuvor wurde angenommen, dass für eine Verbesserung des Herz-Kreislauf-Systems zwischen 60 und 75 Minuten pro Tag erforderlich seien. Doch stellten sich diese Schätzungen als ungenaue Werte aus Selbstexperimenten heraus.
In einer anderen sechswöchigen Studie - publiziert im National Center for Biotechnology Information von E. Madison Jenkins et al [4] - wurden junge Erwachsene angewiesen, die den Tag größtenteils sitzend verbrachten, dreimal täglich und dreimal wöchentlich 60 Stufen zu erklimmen. Die Sauerstoffaufnahme nahm zu, wenn auch geringfügig, was auf den Vorteil einer selbst mäßigen Aktivität hinweist. Das verstärkt den Grundsatz, dass wirklich jede auch noch so kleine körperliche Betätigung zählt.
Neben der Verbesserung der Muskelkraft und Herz-Kreislauf-Gesundheit helfen kurze "Exercise Snacks" zudem vor Mahlzeiten bei der Kontrolle des Blutzuckerspiegels, sodass sie eine auffällige Wirksamkeit gegen Typ-2-Diabetes, Herzerkrankungen und andere verwandte Erkrankungen aufweisen. Das wurde in einer Studie von Monique E. Francois et al - publiziert in der Springer Nature - herausgefunden [5].
Das Schöne an "Exercise Snacks" ist, dass ihre Ausführung keine spezielle Ausrüstung erfordert. Die Vorteile der Herz-Kreislauf- und Muskelkraft ergeben sich aus dem Heben und Bewegen des eigenen Körpergewichts.
Eine Publikation im International Journal of Exercise Science zeigte die Forschungsergebnisse einer Studie, kürzlich durchgeführt von Martin J. Gibala und seinen Mitarbeitern [6], zeigte Folgendes welche folgendes herausfand: Ein einfaches, tägliches, 11-minütiges Training — bestehend aus Gehen bzw. Laufen an Ort und Stelle, Ausfallschritten und anderen leichten Calisthenics — , konnte die kardiovaskuläre (=die Herz und Gefäße betreffende) Fitness im Vergleich zur Kontrollgruppe, die aus Menschen bestand, die sich nicht viel bewegten - um bis zu 7 Prozent verbessern. All die beschriebenen Aktivitäten hatten zusätzlich den Vorteil, dass sie tatsächlich einen kleinen Bereich im Wohnbereich erforderten.
Gibala erklärt:
"Der Schlüssel ist, diese Aktivitäten intensiv zu gestalten - und das ist für verschiedene Menschen unterschiedlich - es muss für Sie intensiv sein.“
Was kann man also konkret tun, um solche "Exercise Snacks" in den Alltag einzubauen?
Eine Möglichkeit besteht darin, das kurze Workout von Gibala ein paar Mal während des Tages einzubauen. Das Workout sieht folgendermaßen aus:
60 Sekunden Aufwärmen mit einfachen Jumping Jacks (Klicke hier für ein Erklärungsvideo)
60 Sekunden Burpees (Ohne Liegestütz; Klicke hier für ein Erklärungsvideo)
60 Sekunden Ruhephase indem du an Ort und Stelle gehst
60 Sekunden Hochknie-Laufen an Ort und Stelle
60 Sekunden Ruhephase indem du an Ort und Stelle gehst
60 Sekunden Split-Squat-Sprünge (Klicke hier für ein Erklärungsvideo)
60 Sekunden Ruhephase indem du an Ort und Stelle gehst
60 Sekunden Hochknie-Laufen an Ort und Stelle
60 Sekunden Ruhephase indem du an Ort und Stelle gehst
60 Sekunden Split-Squat-Sprünge (Klicke hier für ein Erklärungsvideo)
60-Sekunden-Abkühlung durch Gehen an Ort und Stelle
Dennoch müssen solche "Exercise Snacks" nicht perfekt durchgeplant sein. Etwas Einfaches wie beim Telefonieren immer aufzustehen und währenddessen zu gehen, oder Stiegen zu steigen, anstatt den Aufzug zu nehmen sollte den Meisten gelingen. Auch die Wohnung zu reinigen, staubzusaugen, zu backen oder andere ähnliche Haushaltstätigkeiten auszuführen, sollte man nicht unterschätzen.
Diese Übungen helfen aber alle nichts, wenn man sich nicht irgendwie dazu bringen kann, diese auch jeden Tag umzusetzen. Im Trubel des Alltags vergisst man das ja sehr schnell.
Stelle dir doch einen Wecker oder Timer der ungefähr alle 60 Minuten läutet. Sobald der Wecker läutet, mache ein paar Bewegungen aus Gibala’s Workout. Du musst ja nicht alle machen. Die Hauptsache ist, dass du alle 60 Minuten ein bisschen ins Schwitzen kommst und dein Sauerstoffgehalt im Blut ordentlich angehoben wird.
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Quellen
https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/M20-2665
https://www.health.harvard.edu/heart-health/why-you-should-move-even-just-a-little-throughout-the-day
https://bjsm.bmj.com/content/54/24/1499
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30649897/
https://link.springer.com/article/10.1007/s00125-014-3244-6#page-1
https://digitalcommons.wku.edu/ijes/vol14/iss3/2/
Sonstige Quellen:
https://www.bluezones.com/2021/02/exercise-snacks-may-be-as-good-or-better-than-traditional-workouts/
https://www.mayoclinic.org/healthy-lifestyle/weight-loss/in-depth/metabolism/art-20046508
Coverfoto geschossen von Pawel Czerwinski. Hier heruntergeladen von Unsplash.