Hundertjährige auf freiem Fuße

In aller Munde mag es zwar nicht sein, doch gibt es an verschiedenen Orten dieser Welt, Menschen, die (stark) überdurchschnittlich alt werden. Unaufhörliches Altern allerdings, nur zur Selbstverzierung mit einer weiteren Jahreseinheit, ohne den Segen der ewigen Jugend, sollte weder Objekt des Neides noch Gegenstand der Sehnsucht sein… und das hoffentlich für niemanden.


Interessant ist aber, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der „blauen Zonen“ es tatsächlich zu schaffen scheinen, auf gesunde und verträgliche Weise zu altern. Sie zeigen sich selbst in hohem, „supra-centiärem“ Alter (100+) in vielen Fällen verhältnismäßig fit und mobil. 

Unvermeidlich — und nicht zu letzt aus eigennützigen Gründen — drängt sich einem die große Frage auf: Welche Umstände provozieren diesen bemerkenswerten Effekt?

Bereits viele Wissenschaftler haben die Relevanz dieser Frage erkannt und sich ihrer Beantwortung gewidmet. Einer von ihnen ist der Amerikaner Dan Buettner. Er und sein Forschungsteam haben die blauen Zonen und die dort ansässigen Menschen untersucht und ihre Ergebnisse in ihrem Buch mit dem Titel „The Blue Zones“ [1] akkumuliert und aufbereitet.

Dieser Arbeit entspringen neun wichtige Erkenntnisse. Sie definieren die Lebensweisen, die ganz besonders zu Gesundheit und Langlebigkeit beitragen können:

  1. Bewegung

  2. Sinn im Leben

  3. Entspannung

  4. Essgewohnheiten

  5. Größtenteils Vegetarisch

  6. Moderater Wein-Konsum

  7. Zugehörigkeit

  8. Family First

  9. Sozialer Kreis

Lektion 1: Bewegung. 

Wie besser einleiten, als mit den Worten Dan Buettners höchstpersönlich:

„THE WORLD’S LONGEST-LIVED PEOPLE DON’T PUMP IRON, RUN MARATHONS OR JOIN GYMS. INSTEAD, THEY LIVE IN ENVIRONMENTS THAT CONSTANTLY NUDGE THEM INTO MOVING WITHOUT THINKING ABOUT IT. THEY GROW GARDENS AND DON’T HAVE MECHANICAL CONVENIENCES FOR HOUSE AND YARD WORK.“

Menschen aus den blauen Zonen, die lange und gesund leben, machen keinerlei exzessive Bewegung. Anstatt dessen ist es besser, Bewegung nicht übertrieben intensiv zu machen, sondern sie elegant in den Alltag zu integrieren. Viele männliche Hundertjährige in der sardinischen Blauen Zone zum Beispiel arbeiteten Zeit ihres Lebens als Schafhirten. Dadurch waren sie jeden Tag mit ihrer Herde in der hügeligen Landschaft von Sardinien unterwegs und haben so ihre Gesundheit erhalten. In anderen Blauen Zonen begnügen sich die Menschen mit Spaziergängen ohne die Gesellschaft von Schafen oder anderer Herdentiere. (Das viele Gehen sei an dieser Stelle als Hauptkriterium mitzunehmen.)

Dr. Robert Kane [1]  drückt es wie folgt aus:

„THE DATA SUGGESTS THAT A MODERATE LEVEL OF EXERCISE THAT IS SUSTAINED IS QUITE HELPFUL.“

Fakt ist, dass die meisten Menschen im europäischen Raum, die sich mit dem Thema Gesundheit beschäftigen, nicht alle Schafhirten sind oder die Zeit haben, spazieren zu gehen. Der heutige Alltag vieler kann im Groben mit dem laufenden Wechsel des Sitzplatzes — von der Frühstückstischsitzgelegenheit zum Fahrersitz zum Bürosessel und so weiter — charakterisiert werden. Zeit für Bewegung und folglich Zeit zur Einhaltung des Bewegungsgrundsatzes der Blauen Zonen bleibt da meistens wenig.

Die Ergebnisse von Buettner und seinem Forscherteam zeigen: Mindestens dreißig bis sechzig Minuten Bewegung an fünf Tagen der Woche sind eine gute Basis dafür, lange und gesund zu leben. 

Diese Angaben müssen nicht alle am Stück eingehalten werden. Nimmt man die sechzig Minuten als Richtwert zur Hand, multipliziert sie mit den fünf Tagen erhält man 300 Minuten Gehen in der Woche.

Mit den folgenden Empfehlungen sollte es ein Leichtes werden, dieses Ziel — die allmächtige Zahl der dreihundert Minuten — zu erreichen: 

Bequemlichkeit ist der Feind. 

Das Treppenhaus dem Aufzug vorzuziehen, sich mit dem Fahrrad oder gar zu Fuß zur Arbeit zu begeben, sowie sich fünf Minuten zu gönnen, um sich vom Arbeitsplatz zu erheben und einen kleinen Spaziergang am Gang oder um den Häuserblock zu unternehmen, hat noch kaum jemandem geschadet. Ganz im Gegenteil — diese und viele weitere Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick kaum zusätzlich Zeit zu kosten scheinen, fördern — nachhaltig integriert in den Alltag — den Bewegungsapparat und schonen im besten Fall sogar die Umwelt. 



Sport ist Mord? 

Wenn er Spaß macht nicht. Das Fitnessstudio gleicht einer Folterkammer? Niemand wird gezwungen, diese Dienste in Anspruch zu nehmen. Es gibt zahllose Alternativen, die teilweise wesentlich gesünder sind und mehr Freude bereiten. Die Suche nach einer Sportart, die einem am meisten Spaß macht, sollte mit großer Intensität betrieben werden. Sei es Tennis, Yoga odereine Kampfkunst wie Karate oder Judo. Ganz etwas anderes mag aber ebenso eine hervorragende Option sein. 



Der Garten: Das ultimative Fitnessgerät. 

Zugegeben: Nicht jeder Mensch hat einen Garten. Nicht jede Person hat Freude an Gartenarbeit, auf wenn sie einen hätte. Manche haben weder noch. Doch wenn man sich zu den Glücklichen zählen darf, die sowohl einen Garten unter ihrer Obhut wissen als auch in ebendiesem gerne arbeiten, wird man schnell feststellen, dass seine Pflege eines moderaten, teilweise sogar relativ intensiven körperlichen Aufwandes bedarf. Dies hilft dabei, den gesamten Körper fit und beweglich zu halten. Als Pluspunkt hilft, dass Gärtnern zur Entspannung beitragen und zu Glücksmomenten und Erfolgserlebnissen führen kann, wenn man nach langer Arbeit und Wartezeit beispielsweise die ersten Paradeiser ernten kann.


Kurz am Rande: Wir wissen, dass den meisten Leserinnen und Lesern dieses Artikels die Frucht des Paradeisers wohl eher unter der Bezeichnung „Tomate“ bekannt ist. Wir jedoch verwenden das ostösterreichische Wort. Uns gefällt der Klang des Wortes und die dahinterstehende Bedeutung —„Paradies Apfel“ — wesentlich besser. Könnten wir es schaffen, diesem Wort — dem Paradeiser — zu weiterer Verbreitung zu verhelfen?


Der Groschen sollte bis jetzt schon gefallen sein: Die Vorstellung, dass man einen Marathon oder 97 Liegestütz am Stück schaffen muss, um sich als körperlich wohlauf bezeichnen zu dürfen, ist Irrglaube. Dan Buettners Forschungsergebnisse und nicht zuletzt die Bewohnerinnen und Bewohner der Blauen Zonen sind ein schwerwiegendes Argument gegen diese weit verbreitete Illusion.

Quellen

  1. https://www.amazon.com/-/de/gp/product/B007WL6D60/ref=dbs_a_def_rwt_hsch_vapi_tkin_p1_i1

  2. https://www.bluezones.com/2016/11/power-9/

  3. Coverfoto geschossen von Daniel Gregoire. Hier heruntergeladen von Unsplash.

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Vision oder Illusion: Fasten

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